Mit ungewöhnlichen Formen behauptet sich das Conservatorium of Music in Melbournes Innenstadt. Der Entwurf gewährt Passanten Einblicke auf die Musiker und spielt auch außen mit den Sinnen der Betrachter.
Musik ist ein Kulturgut für alle Teile der Gesellschaft. Deshalb entwarfen John Wardle Architects das neue Musikkonservatorium der Universität von Melbourne als Gebäude, das Einblicke in den Alltag der Musiker ermöglicht. „Anders als „Der wütende Musiker“ – das 1741 entstandene Bild von William Hogarth, das einen Konflikt zwischen dem Musiker in seinem Haus und Straßenmusikanten zeigt – ermuntert das neue Konservatorium Neugier und Interaktion zwischen dem Musiker und der Öffentlichkeit“, beschreiben die Architekten ihre Vision. Das Melbourne Conservatorium of Music ist eines der ältesten Musikhochschulen Australiens und nimmt damit einen besonderen Platz bei der Kulturvermittlung ein.
Das Projekt nahm mit Planung und Bau vier Jahre in Anspruch und wurde 2019 fertiggestellt. Der Bau verfügt über acht Etagen und bietet auf 6550 Quadratmetern Platz für Unterricht, Übungsstunden und Konzerte. Unterschiedlich große Fenster laden Passanten ein, ins Innere zu schauen und sind gleichzeitig so angelegt, dass die Musiker sich bei der Arbeit voll auf ihre Kunst konzentrieren können. „Die Lern- und Übungsräume sind mit glockenförmigen Bullaugen und versteckten Fenstern versehen, die die Aktivitäten im Inneren großzügig zur Schau stellen. Die größte dieser Öffnungen ist das runde Fenster zum Übungsraum des Orchesters im Erdgeschoss, das Passanten einen Einblick in die inneren Abläufe der Musikausbildung ermöglicht“, so die Architekten.
Nicht nur die Fenster setzen an der Außenhaut des Gebäudes Akzente. Teile der Betonfassade stehen seitlich hervor, falten sich zum Vordach oder scheinen sich zum Himmel hin zu öffnen. Die Mehrzahl der Betonelemente sind mit Vertiefungen versehen, in die farbige ovale Fliesen eingelassen wurden. Die Fliesen wurden von INAX bezogen – ein Unternehmen, das 1926 in Kooperation mit Frank Lloyd Wright in Japan gegründet wurde, als der amerikanische Stararchitekt den Bau Imperial Hotels in Tokio betreute.
Bei der Betonfassade entschieden sich die Architekten für einen polierten Waschbeton-Look. Dafür legte der Betonverarbeiter Bianco Precast die genaue Mischung gemeinsam mit den Architekten fest. Der Beton besteht aus drei Aggregaten – Harcourt Garnit, Calca Granit und Para Hills Aggregat – die Bianco Precast aus den Provinzen Victoria und South Australia bezog.
Um die Betonelemente mit den Vertiefungen zu produzieren, bot sich nicht wie sonst üblich eine großflächige elastische Strukturmatrize an. Wegen der unterschiedlichen Größen der Betonelemente konnten sie in manchen Formen aufgrund der hervorstehenden Formen für die späteren Aussparungen nicht in der korrekten Position gehalten werden. Den Architekten war nicht bewusst, dass die unterschiedlich großen Betonelemente solche Herausforderungen mit sich bringen konnten. „Wir mussten deshalb unsere eigene Lösung entwickeln, die auch gut funktioniert hat“, sagt Ivan Griguol, Project Consultant bei Bianco Precast.
Statt einer elastischen Matrize produzierte RECKLI Gummiformen für die Vertiefungen. Sie entstanden auf Basis von Zeichnungen, die Griguol an John Joveski schickte, Managing Director bei RECKLI Australien. RECKLI goss mit dem Polyurethan RECKLI Pur 55 rund 9000 Gummiformen. Die sechs verschiedenen Designs der Formen wurden anschließend nach einem von den Architekten vorgegebenen Muster arrangiert und konnten dann für die Produktion der Betonelemente eingesetzt werden.
Die Mehrzahl der Elemente für die Betonfassade war flach. „Wir haben 12 Millimeter dicke Sperrholzplatten genutzt, in die wir nach den vorgegebenen Mustern maschinell die Löcher für die Fliesen geschnitten haben“, sagt Griguol. Anschließend wurden die Gummiformen von RECKLI in die Vertiefungen gesetzt. Auf dieser Schalungseinlage wurden anschließend die Betonelemente gegossen. Für die Produktion der gefalteten Elemente griff Bianco Precast auf Styroporplatten zurück, die dann mit den RECKLI-Gummiformen versehen wurden. Mit modernster Technik wurden die Betonelemente poliert, so dass die Aggregate zwar zu sehen sind, die Oberfläche jedoch glatt ist. „Anschließend wurden die ovalen Fliesen mithilfe von Epoxidharz in den Aussparungen verklebt“, so Joveski. Er hat die fertige Fassade in Augenschein genommen und freut sich, dass sie australische Granitarten auf beeindruckende Art in Szene setzt und so ihren Beitrag leistet, Melbournes traditionsreichem Musikkonservatorium ein stolzes und würdiges Zuhause zu geben.