Das Katyn Museum in Warschau erinnert an ein Verbrechen des Zweiten Weltkriegs. Schon die Fassade gedenkt mit einem Brief und Abdrücken persönlicher Gegenstände den Opfern.
Es sind sorgenvolle Worte, die ein junger Pole 1939 an seine Familie richtet. Er sei nur um ihr Wohlergehen und das der Kinder besorgt, schreibt er seiner Frau. Sie solle sich nicht um ihn sorgen, es gehe ihm gut. Er schicke Küsse, besonders an seine Jüngste, Marylke.
Wenig später wird der Pole, ein Kriegsgefangener namens Stefan, vom sowjetischen Geheimdienst NKWD ermordet: Vom 3. April bis 11. Mai 1940 treiben Mitglieder des NKWD etwa 4400 polnische Offiziere in einen Wald außerhalb der russischen Stadt Katyn und erschießen sie. Das Massaker – ausgeführt auf Stalins Befehl – ist eine von zahlreichen Mordaktionen, der zwischen 22.000 und 25.000 polnische Offiziere und Intellektuelle zum Opfer fallen.
Das Massaker von Katyn ist bis heute ein Trauma für die polnische Bevölkerung, auch weil Russland sich erst 1990 zur Verantwortung bekannte, es bis heute aber nicht als Kriegsverbrechen anerkennt. Die schmerzhafte Erinnerung und Aufarbeitung geschieht unter anderem im Katyn Museum in Warschau. Untergebracht auf dem Gelände der Zitadelle Warschau geben schon die Außenmauern der Gebäude einen Hinweis auf das Thema. Der Brief des polnischen Soldaten ist in eine der Außenmauern des Museums eingelassen – genau genommen ist er eingegossen: Das polnische Architekturbüro BBGK, das mit der Planung des Museums beauftragt war, ließ einen Brief aus der Sammlung des Museums digitalisieren und als mahnende Erinnerung an die Fassade bringen.
Für die Umsetzung des Projekts fertigte RECKLI eine Individual-Matrize an. „Nach Rücksprache mit unserem Fertigungsleiter in Herne erstellten die Architekten Zeichnungen“ erzählt Andrzej Wójcik, RECKLI-Vertreter in Polen. Mithilfe der Vorgaben, wie tief die Schrift in den Beton eingelassen werden sollte, fertigte RECKLI im deutschen Werk ein Modell und anschließend die Matrize.
Die Schalungseinlage kam auf der Baustelle im Ortbeton zum Einsatz. BBGK wählte roten Beton, der sich farblich an den Mauern der Bestandsgebäude auf dem Zitadellen-Gelände orientiert. Gleichzeitig stellt die Farbe einen bedrückenden Bezug zum Ereignis her.
Das Museum ist im südlichen Teil der Zitadelle angelegt und erstreckt sich über drei historische Gebäude. „Der ganze Komplex wurde als Park gestaltet, mit einem symbolischen Wald von Katyn in seinem Zentrum“, beschreiben die Architekten das Projekt. „Farbiger Beton dient dabei als Mittel architektonischer Ausdrucksweise, wo es die Ausstellung verlangt: persönliche Gegenstände wie Briefe und Teile von Munition wurden genutzt, um Abdrücke im Beton zu hinterlassen.“
Eine schmale Treppe führt vom Museum zwischen zwei hohen, rot gefärbten Wänden ins Freie und erzeugt eine bedrückende Stimmung. In den mit Holzbrettern strukturierten Sichtbetonwänden finden sich Details, die den Besucher einhalten lassen: Eine Schachfigur, ein Armee-Abzeichen, ein Talisman. Die polnische RECKLI-Niederlassung erhielt vom Museum Kopien von Artefakten, die beim Öffnen der Massengräber bei den Opfern gefunden wurden. „Zunächst haben wir mit unserem Silikon Abdrücke von den Modellen genommen, in diese Abformungen haben wir anschließend unser PUR-Polyurethan gegossen, um neue Kopien herzustellen“, sagt Wójcik. Die Kopien wurden anschließend zur Baustelle geschickt und dort auf den Holzbrettern angebracht, mit denen der Beton eingeschalt wurde.
Für den Entwurf des Museums und die bedeutungsvollen Details in seiner Betonfassade wurde das Architekturbüro BBGK mit zahlreichen Preisen geehrt und schaffte es in die Endauswahl des Mies van der Rohe Preises für Zeitgenössische Architektur 2017. Die Aufmerksamkeit für das Museum ist auch ein Schritt in der Aufarbeitung eines schmerzvollen Kapitels polnischer Geschichte.