Das Kulturzentrum in der französischen Stadt La Rochelle kehrt sein Innerstes nach außen. Die Fassade zieren unzählige tanzende Figuren.
Verspielt begrüßt das neue Kulturzentrum in La Rochelle seine Besucher: Das Sonnenlicht gleitet über die Oberfläche der weißen Betonfassade und gibt dessen Motiv erst auf den zweiten Blick Preis: Was zunächst wie ein zufälliges Muster wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als zahlreiche miteinander verbundene Figuren, die miteinander tanzen.
Die schöne Fassade gibt schon von außen den Zweck des Gebäudes preis: Es dient für private und öffentliche Veranstaltungen und als Theater. Der Espace Bernard Giraudeau bietet bis zu 400 Personen Platz. Benannt ist das Kulturzentrum nach dem berühmten Sohn der Stadt: Schauspieler Bernard Giraudeau, der 1980 in der französischen Teenagerkomödie „La Boum – Die Fete“ mitspielte und in Deutschland später durch seine Rollen in „Teuflische Umarmung“ und Rainer Werner Fassbinders Tragödie „Tropfen auf heiße Steine“ weiter bekannt wurde. Giraudeau starb 2010, seine Geburtsstadt ehrte ihn nun mit dem Neubau.
Das Projekt wurde von der Stadtverwaltung in Auftrag gegeben und kostete 2,7 Millionen Euro. Die Planung übernahm das französische Architekturbüro BIM!. „Als wir am Standort ankamen, gab es keine Begrenzungen oder Einschränkungen“, schreiben die Architekten über das Projekt. Sie studierten die umgebende Architektur und fanden Inspiration: „Wir entschieden uns, beim Beton zu bleiben, der in diesem Viertel seit den 60er Jahren omnipräsent ist, und zu demonstrieren, dass wir mit Poesie bauen können“, so die Architekten. Sie entwarfen ein Gebäude mit gebogenen Außenwänden, dessen dynamische Erscheinung von den tanzenden Körpern an der Fassade bestärkt wird.
Das vier Zentimeter tiefe Wandrelief wird tagsüber durch das Spiel von Licht und Schatten belebt. Von Weitem erscheint der Bau wie ein geschwungener weißer Monolith, umspannt von einem willkürlichen Muster. „Aus der Nähe bekommt das Gebäude eine menschliche Skala und man nimmt die Bewegungen der Körper wahr, die tanzen und sich miteinander verbinden.“
Elastische Strukturmatrizen brachten die Tänzer an die Fassade: Nach den Vorstellungen und Zeichnungen der Architekten baute RECKLI zunächst ein individuelles Positivmodell aus einem Plattenwerkstoff, auf dem anschließend die Matrize gegossen wurde. Sie besteht aus elastischem Kunststoff, wird beim Betonieren in die Schalung eingelegt und kann nach dem Aushärten des Betons problemlos von der Betonoberfläche abgezogen werden. Sie garantiert die detailgetreue Abbildung der Motive ohne Ausbrüche und kann dank ihrer Elastizität zwischen 50 und 100-mal wiederverwendet werden.
Um das Muster so nahtlos wie möglich an die Fassade bringen zu können, entschieden sich die Architekten für Ortbeton. Die Strukturmatrizen kamen deshalb direkt auf der Baustelle zum Einsatz. Das Design wurde in Abschnitte unterteilt und versetzt angeordnet, um eine monotone Wiederholung des Motivs zu vermeiden. „Beim Einlegen in die Schalung wurde jeder Abschnitt um ein Drittel nach oben verschoben, ohne die Harmonie des Designs als Ganzes zu beeinträchtigen.“ Design, Form und Umsetzung nach dem französischen Energiestandard HPE machen das Projekt zu einem Beispiel für nachhaltiges und kreatives Bauen.