Farbenfroh stellen sich Deich und Strandhütten im britischen Ort Milford on Sea den Wellen des Englischen Kanal entgegen. Die Architekten entwarfen eine multifunktionale Struktur mit optischen Highlights.
160 Kilometer südwestlich von London und knapp 40 Autominuten von Southampton entfernt liegt das britische Küstendorf Milford on Sea. An klaren Tagen können Bewohner und Besucher des hübschen Ortes die Isle of Wight sehen. Bei schlechtem Wetter peitschen hingegen kräftige Wellen an die Küste – so auch am Valentinstag 2014, als ein heftiger Sturm schwere Schäden am Küstenstreifen von Milford on Sea und den umliegenden Orten anrichtete. Von 119 Strandhäuschen, die zur Aufbewahrung von Strandequipment und Spielsachen dienen, wurden rund 70 bei dem Sturm zerstört, zahlreiche weitere beschädigt.
Ein Jahr nach dem Sturm beschloss die Gemeinde, die Strandhäuschen wiederaufzubauen und die dahinter liegende Promenade zu reparieren. Die Ausschreibung für das Projekt gewann ein Büro aus dem nahe gelegenen Southampton. Snug Architekten sahen Potential für mehr als nur den Wiederaufbau der getrennten Strukturen und wandten sich mit einem Vorschlag an die Gemeinde: „Sie müssen nicht zwischen dem Bau eines Deich, der Strandhütten und der Promenade wählen, Sie können alle drei haben – und dabei auch noch mehr erreichen“, erklärte Snug-Chef Paul Bulkeley die Herangehensweise der Architekten in einem Vortrag bei der RIIBA Smart Practice Konferenz in Cambridge vergangenes Jahr. Die Gemeindevertreter stimmten zu und passten das Budget an.
Bulkeley und seine Kollegen entwarfen gemeinsam mit den Ingenieuren von Ramboll eine Struktur, die Schutz gegen die Naturgewalten liefert und zugleich für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Der Deich widersteht einer Sturmstärke, wie sie nur einmal in 200 Jahren auftritt. In ihn integriert sind die Strandhütten in Würfelform. Ihre Dächer dienen als Promenade, von der aus Spaziergänger einen erhöhten, unverstellten Blick aufs Wasser genießen können.
Das Konzept vereint Beton, Farbe und Kunst und beweist, dass Zweckbauten auch optisch eine Bereicherung sein können. Farbenfrohe Türen und grafisch gestaltete Betonelemente mit Strand-Szenen lockern die Struktur optisch auf. Die Betonfertigteile wurden vom britischen Spezialisten Moore Concrete gefertigt. Ein C-Element bildet Rückwand, Boden und Dach der Strukturen, deren Vorderseite mit dekorativen Betonfertigteilen versehen wurden. Leuchtend bunte Türen, deren Farbe die Eigentümer der Strandhütten individuell auswählen konnten, komplettieren die Vorderseite. „Außerdem wurden während der Herstellung individuelle Nummern auf die Betonfertigteile aufgebracht, so dass jede einzelne Strandhütte ein eigenes dekoratives Element hat“, so die Experten von Moore Concrete.
An den Treppenaufgängen, die Durchgänge von der Straße zum Strand und Aufgänge zur Promenade darstellen, entschieden sich die Architekten für einen weiteren kunstvollen Bezug auf die maritime Umgebung. Vor Ort gesammeltes Strand- und Treibgut wurde in der Form eines Ammonit angeordnet. Die Teile für das dreidimensional nachempfundene Fossil wurden nach Deutschland geschickt, wo sie im RECKLI-Werk in Herne als Positivmodell für eine individuelle elastische Matrize dienten. Die fertige Strukturmatrize ging anschließend ins Betonfertigteilwerk nach Großbritannien zurück. Moore Concrete nutzte die Schalungseinlage beim Gießen des Betons, um das individuelle Design in die Betonoberfläche zu prägen.
Die Fertigteile bilden einen Blickfang an den Seitenwänden der Treppenaufgänge. Das Projekt kostete insgesamt 2,36 Millionen britische Pfund und wurde zur Sommersaison 2017 fertig gestellt. Snug Architekten gewannen mit dem Entwurf unter anderem den Architecture Master Prize 2018. Das Projekt wurde von der Concrete Society in der Kategory Highly Commended geehrt. Die Jury des Concrete Awards lobte neben der hochwertigen Ausführung des Betons die Nachhaltigkeit des multifunktionalen Konzepts und die ressourcenschonende Umsetzung durch die Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmen.