Der Erweiterungsbau der Bibliothek für die Universität Paul Sabatier in Toulouse macht Bildung und Wissenschaft deutlich zum Thema: Fotogravuren zieren die Betonfassade des Gebäudes.
Die Universität Paul Sabatier am südlichen Stadtrand von Toulouse hat sich als größte wissenschaftliche Universität im Südwesten Frankreichs etabliert. Ihre Bibliothek stammt aus den 70er Jahren; ihre Größe und Ausstattung konnten mit dem Wachstum der Universität und ihrer Studentenzahlen nicht mithalten. Um den Anforderungen an ein modernes Medien- und Informationszentrum gerecht zu werden, beauftragte die Universität eine Erweiterung des bestehenden Gebäudes.
Architekt Richard Milani vom Büro Espagno & Milani konzipierte hierzu ein Gebäude, das sich klar vom Campus hervorhebt und gleichzeitig einen unmittelbaren Rückschluss auf seine Nutzung ermöglicht. Die Erweiterung gliedert sich an das bestehende Gebäude an und folgt der orthogonalen Ausrichtung des Campus. Über dem komplett verglasten Erdgeschoss erhebt sich ein rechteckiger Aufbau mit einer Betonfassade, deren außergewöhnliche Strukturierung sofort ins Auge sticht.
Abhängig von der Sonnenlichteinstrahlung und dem Betrachtungswinkel werden verschiedene Fotos sichtbar, die symbolisch die Schwerpunkte der beheimateten wissenschaftlichen Disziplinen und der in Toulouse ansässigen Industrien darstellen.
Ermöglicht wird diese außergewöhnliche Gestaltung durch das Fotogravur-System, das Fotos und Grafiken in den Beton bringt. Das innovative Verfahren wurde 2009 auf der World of Concrete Messe in Las Vegas mit dem Most Innovative Product Award ausgezeichnet. Zunächst wird die Bildvorlage eingescannt und am Computer in eine Datei mit 256 Graustufen umgewandelt. Die Skalierung der Vorlage erlaubt die Herstellung von Fotogravur-Matrizen jeder Größe. Für die Übertragung des Bildes auf den Werkstoff wird aus den ermittelten Grauwerten eine Bearbeitungsdatei mit Fräsbefehlen für die CNC-Fräse generiert. Ein entsprechend gefrästes Positivmodell dient dann als Vorlage für die Fertigung der RECKLI-Matrizen. Deren Elastizität, Qualität und Reproduzierbarkeit stellen sicher, dass das Verfahren ästhetisch und ökonomisch realisierbar ist.
Die reliefartige Oberfläche der Fotogravur erzeugt durch Licht- und Schatteneffekte ein Abbild der Bildvorlage. Streiflicht lässt das Foto im Beton deutlicher erscheinen als Frontallicht oder totaler Schatten. Im wandernden Sonnenlicht lässt sich das Motiv an der Fassade immer wieder neu entdecken.
Für die Universitätsbibliothek in Toulouse wählte der Architekt acht unterschiedliche Fotos aus, die sich aus unabhängigen Modulen von jeweils 2,40m x 1,20m zusammensetzen. Die Gesamtgröße der Fotos variierte dabei von einem Modul, etwa bei Albert Einsteins Formel e=mc2, bis zu acht Modulen für das Panel mit Marie Curie. Ein detaillierter Fassadenplan bestimmte die genaue Konfiguration der Fassade und sah sowohl vollständige Fotos als auch eine Wiederholung einzelner Fotomodule vor. Dadurch entsteht der Eindruck einer unbegrenzten Fotocollage.
RECKLI lieferte insgesamt 36 Fotogravurmatrizen an das Fertigteilwerk Midi Préfa Industrie in Graulhet. Ein Betonelement umfasst in der Regel bis zu sechs Module in der Höhe und ein Modul in der Breite. Um eine möglichst flexible Belegung der Fertigungstische zu ermöglichen, wurden die Matrizen einzeln auf Holztafeln aufgeklebt und entsprechend der jeweiligen Konfiguration der Betonelemente zusammengesetzt. Zwischen den einzelnen Matrizen wurden Profilleisten eingelegt, um die Module durch eine Scheinfuge zu akzentuieren. Die enge Zusammenarbeit zwischen dem Architekturbüro, dem Bauunternehmen, dem Betonfertigteilwerk und RECKLI resultierte in einer einzigartigen Fassade.